Mittwoch, 17. Juni 2009

Angst / Panik

Kannst Du Dich noch daran erinnern, wann Du das letzte mal richtige Angst gehabt hast? Ich meine nicht ängstlich, sondern nackte, ehrliche, harte Angst? Angst die man selten hat, die einem aber klar macht, wie sehr man an seinem Leben hängt?

Ich schon. Mitte Dezember und heute. Mitte Dezember hab ich ein bisschen Überstunden gemacht, da hatte ich noch meinen alten 2 Rad-Heckantrieb-Truck ( siehe Titelfoto). Auf dem Heimweg bin ich auf der Dirtroad einer weißen Eule ausgewichen (Eulen überfahren denke ich bringt Unglück) und davon ins Schleudern geraten. Als ich anfing mit nicht unbeachtlicher Geschwindigkeit quer ins Feld zu rutschen dachte ich: " Nur nicht umkippen, alles nur nicht umkippen!" Der Schnee stieb um mich herum wie am jüngsten Tag (falls der im Winter ist) bis der Wagen endlich zum stehen kam. Gott seid Dank! Kein rollen, kein überschlagen (Sicherheitsgurt war defekt)!
Dann stieg ich aus. Kein Problem, Schaufel genommen (durch die Kälte haben wir ja immer Pulverschnee) und zwei Spuren gegraben und einfach Rückwärts aus dem Feld fahren. Da erst fiel mir auf, wie kalt es war, nämlich -38°C. Durch die Temperatur war sofort mein Handy-Akku leer. Meine Frau, die normalerweise immer auftaucht, wenn ich zu lange weg bin, Fehlanzeige. Nächste Nachbar oder zurück zum Hof? Der Hof scheint näher da zu sein, also dahin. In Jeans und Kapuzenjacke und Handschuhe hab ich auch gefunden. Und ich tue aus Unwissenheit, was man nie im Leben in Kanada im Winter tun soll. Ich verlasse das Auto und laufe los. Standardausrüstung in Kanada im Winter: Eine Kerze, eine Decke, ein Schokoriegel - damit kann man überleben, wesentlich länger als loslaufen. Es ist auch noch Wind, das heißt die Kälte fühlt sich noch kälter an, als Sie eh schon ist. Mein Atem gefriert sofort zu einer dicken Eisschicht an meiner Brille. Ich folge nur dem Licht am Horizont und Farbschemen durch meine vereiste Brille. Ich drehe mich immer wieder ein wenig um nicht immer an der selben Stelle gekühlt zu werden. Aber es wird schwieriger und schwieriger. Du fühlst Dich, als ob Du schon seit Tagen unterwegs bist. Nur die Angst treibt Dich weiter und die wird größer, je schwächer Du wirst und weiter die Lichter entfernt scheinen.
Ich hab es irgendwie irgendwann geschafft. Doch Dummheit zwei folgt sogleich. Anstatt vom Hof ein Fahrzeug zu nehmen und Heim zu fahren, fahre ich zurück zu meinem Truck und ziehe ihn allein raus. Doch wie zwei Fahrzeuge allein bewegen? Ein Fahrzeug muss zurück zum Hof! Also fahre ich mit einem Fahrzeug ein Stück in Richtung Hof, laufe dann wieder zum anderen Fahrzeug, setze nach und so weiter und so weiter. Kurz bevor ich am Hof bin tauchen in der Ferne Scheinwerfer auf. Da ich nicht will, dass mein Unglück sofort bemerkt wird fahre ich den Hof-Truck den Rest zurück und parke ihn gleich in der Halle. Als ich mein Auto wieder erreiche sehe ich, dass es meine Frau war die jetzt das lehre, laufende Fahrzeug auf der Strasse gefunden hat und ich bekomme einen satte Standpauke. Sie jedoch auch, für's nicht kommen.

Heute hatte ich wieder Angst. Da ich noch bei mir den Rasen sähen muss, vorher aber noch ein bisschen die Erde vorbereiten muss (seit Sonntag weiß ich ja, dass noch Steine drin sind) wollte ich den kleinen Traktor mit Heim nehmen (10 km). Als offensichtlich ein angekündigtes Gewitter immer näher kam, beschloss ich los zu fahren, da mein Auto verliehen war und ich nicht wusste wie lang der Regen dauert etc. Wieder an der Stelle vom Winter war das Gewitter schon so nah, ich konnte die Blitze schon deutlich in ca 15 km Entfernung einschlagen sehen. Problem waren zusätzlich die zwei kleinen Gewitter, von denen mir eins entgegen kam und eines von der rechten Seite. Ich konnte nur noch vorwärts. Doch was, wenn Dein Traktor nur ein Dach hat und sonst offen ist? Du sitzt nicht so wie im Auto sicher! Ich hatte auch noch vorne in der Schaufel aus Stahl die Egge mit den Ketten, von denen ich eine als Erdung auf der Straße schleifen ließ. Als der Gewitter-Sturm mich eingeholt hatte, hab ich versucht meine Frau zu erreichen, was Angesichts des schlechten Handy-Netzes und der Tatsache, dass wir immer noch keinen Festanschluss haben, eine echte Herausforderung ist! Ich wollte zumindest ein Begleitfahrzeug als metallischen Gegenpol oder wenn der Regen losstürzt ein Dach über dem Kopf, oder wenn mich der Blitz doch trifft einen Kranken-Transport- Wagen in der Nähe wissen. Aber wie immer, keine Kontaktmöglichkeit. Es gibt ja auch hier keine Bäume zum unterstellen. Ich fahre schon langsamer, aber das Gewitter ist gleich über mir. Mir ist echt mulmig, da Blitze einfach nicht berechenbar sind. Einschläge in ca. 5 km Entfernung machen mich nicht mehr optimistischer. Ich muss es jetzt schaffen, so schnell es geht.
Mit letzter Not erreiche ich mein Grundstück, gerade als es anfängt loszuregnen. Ich stürme zum Haus um meine Frau zu schimpfen, aber Sie schimpft schneller. Egal, Hauptsache nicht vom Blitz getroffen!

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